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3.7 Grundbegriffe, Notation

In diesem Abschnitt klären wir einige Grundbegriffe, die wir benutzen werden, um über Mathematik zu sprechen.

3.7.1 Aussagen

Eine Aussage formuliert Eigenschaften mathematischer Objekte und kann wahr oder falsch sein.

Beispiel 3.14
  1. Beispiele für Aussagen sind:

    • Die Zahl \(5\) ist eine Primzahl.

    • Die Zahl \(5\) ist durch \(3\) teilbar.

  2. In den folgenden Sätzen kommen zwar auch mathematisch Symbole vor, es handelt sich aber nicht um Aussagen:

    • Die Zahl \(5\) ist grün. (Denn grün hat keine mathematische Bedeutung.)

    • Die Zahlen \(5\), \(7\) größer kleiner. (Kein sprachlich verständlicher Satz.)

Wir können Aussagen miteinander verknüpfen: Seien \(A\), \(B\), \(C\), … mathematische Aussagen.

  1. \(A \wedge B\) (\(A\) und \(B\)) ist genau dann wahr, wenn \(A\) und \(B\) wahr sind.

  2. \(A \vee B\) (\(A\) oder \(B\)) ist genau dann wahr, wenn \(A\) oder \(B\) wahr sind. (Es ist auch erlaubt, dass \(A\) und \(B\) beide wahr sind.)

  3. \(\neg A\) (nicht \(A\)) ist genau dann wahr, wenn \(A\) falsch ist. Man nennt \(\neg A\) auch die Negation der Aussage \(A\).

  4. \(A \Rightarrow B\) bedeutet, dass \(B\) aus \(A\) folgt, das heißt: wenn \(A\) wahr ist, dann ist \(B\) wahr. (Für den Fall, dass \(A\) falsch ist, wird keine Aussage über \(B\) gemacht; in diesem Fall ist die Aussage \(A\Rightarrow B\) unabhängig von \(B\) wahr!)

    Mit anderen Worten: \(A \Rightarrow B\) ist genau dann wahr, wenn \(B\) wahr oder \(A\) falsch ist. (Wir können also das Symbol \(\Rightarrow \) als Abkürzung sehen und könnten \(A \Rightarrow B\) immer umschreiben als \(B \vee \neg A\). Diese »formalistische« Sichtweise des Folgepfeils ist sicher etwas gewöhnungsbedürftig.)

  5. \(A \Leftarrow B\) ist gleichbedeutend mit \(B \Rightarrow A\).

  6. \(A \Leftrightarrow B\) (genau dann \(A\), wenn \(B\)) ist wahr wenn \(A\) beide wahr oder beide falsch sind.

    Damit ist \(A \Leftrightarrow B\) gleichbedeutend mit \((A \Rightarrow B)\wedge (B \Rightarrow A)\).

Von diesen Zeichen benutzen wir im weiteren Text eigentlich nur \(\Rightarrow \) und \(\Leftrightarrow \) häufiger, und selbst diese Symbole schreiben wir meist aus.

Um die Äquivalenz von zwei Arten, Aussagen zu verknüpfen, zu überprüfen – zum Beispiel die oben genannte Äquivalenz von \(A \Rightarrow B\) und \(B\vee \neg A\) – muss man prüfen, dass für alle möglichen Werte von \(A\) und \(B\), also für alle Kombinationen von wahr/falsch, beide Verknüpfungen dasselbe Ergebnis liefern. Diese Werte kann man in einer Tabelle (»Wahrheitstafel«) auflisten. Die Zeilen entsprechen den Werten von \(A\) (also: in der ersten Zeile ist \(A\) in allen Fällen wahr; in der zweiten Zeile ist \(A\) in allen Fällen falsch), die Spalten den Werten von \(B\) (erste Spalte: \(B\) wahr, zweite Spalte: \(B\) falsch) und in den Einträgen geben wir das Ergebnis des betrachteten Ausdrucks an. Wir schreiben w für wahr, f für falsch.

A \(\backslash \) B

w

f

w

w

f

f

w

w

Wahrheitstafel für \(A\Rightarrow B\).

A \(\backslash \) B

w

f

w

w

f

f

w

w

Wahrheitstafel für \(B\vee \neg A\).

Diese Überprüfungen können also ohne weiteres Nachdenken durchgeführt werden (sind aber dafür ziemlich langweilig).

Mit derselben Methode kann man folgendes überprüfen: Wenn \(A\Rightarrow B\) und \(B\Rightarrow C\) gilt, dann gilt auch \(A\Rightarrow C\).

Oft wird es vorkommen, dass wir für eine Liste von mehreren Aussagen zeigen wollen, dass je zwei dieser Aussagen äquivalent sind. Sind zum Beispiel Aussagen (i), (ii), (ii), (iv) gegeben, deren Äquivalenz gezeigt werden soll, dann genügt es wegen der obigen Bemerkung, statt alle 12 Implikationen zu beweisen, die Implikationen \((i) \Rightarrow (ii)\), \((ii) \Rightarrow (iii)\), \((iii) \Rightarrow (iv)\) und \((iv) \Rightarrow (i)\) zu zeigen. (Denn aus \((ii) \Rightarrow (iii)\) und \((iii) \Rightarrow (iv)\) folgt \((ii)\Rightarrow (iv)\), und mit \((iv) \Rightarrow (i)\) erhalten wir \((ii) \Rightarrow (i)\), also insgesamt \((i) \Leftrightarrow (ii)\), usw.) Man nennt diese Vorgehensweise manchmal einen Ringschluss.

3.7.2 Quantoren

Der Allquantor \(\forall \) bedeutet, dass eine Aussage für alle Elemente einer Menge gelten soll. Nach dem \(\forall \) wird angegeben, auf welche »Variable« er sich bezieht, nach einem Doppelpunkt kommt dann die eigentliche Aussage. Zum Beispiel:

\[ \forall n\in \mathbb Z: n^2\ge 0, \]

in Worten: Für jede ganze Zahl \(n\in \mathbb Z\) ist \(n^2 \ge 0\).

Der Existenzquantor \(\exists \) drückt aus, dass (mindestens) ein Element existiert, so dass die Aussage wahr ist. Zum Beispiel:

\[ \exists n\in \mathbb Z: ( n {\gt} 5 \wedge n {\lt} 8 ), \]

in Worten: Es gibt eine ganze Zahl \(n\), die größer als \(5\) und kleiner als \(8\) ist.

Es ist wichtig, die Reihenfolge der Quantoren zu beachten: Genauso wie \(\forall m\in \mathbb Z\exists n\in \mathbb Z: m = n+1\) richtig ist, ist \(\exists n \in \mathbb Z\forall m\in \mathbb Z: m = n+1\) offensichtlich falsch – machen Sie sich das klar.

3.7.3 Beweismethoden

Um Beweisen zu lernen (was wie gesagt ein wichtiges Ziel von Ihnen für diese Vorlesung sein sollte) muss man es an konkreten Aufgaben üben; dazu werden Sie ausgiebig Gelegenheit haben. In diesem Abschnitt soll es aber erst einmal nur darum gehen, einige Begrifflichkeiten zu erklären.

Unter einem direkten Beweis für eine zu zeigende Aussage \(B\) (die Behauptung) versteht man eine Kette von Folgerungen \(A_1\Rightarrow A_2 \Rightarrow \cdots \Rightarrow A_n \Rightarrow B\), für die bekannt ist, dass \(A_1\) wahr ist. Damit folgt dann auch, dass \(B\) wahr ist. Wir haben zum Beispiel für den Satz des Pythagoras (Satz 3.2) einen direkten Beweis gegeben.

Ein indirekter Beweis oder Widerspruchsbeweis, Beweis durch Widerspruch einer Behauptung \(B\) besteht aus einer Kette von Folgerungen, die ausgehend von der Negation von \(B\) eine falsche Aussage ableitet. Wenn aber \(\neg B \Rightarrow A\) für eine falsche Aussage \(A\) gilt, dann muss \(\neg B\) falsch, also \(B\) wahr sein. Wir haben den Beweis, dass keine rationale Zahl existiert, deren Quadrat \(2\) ist, als indirekten Beweis geführt (Satz 3.4).

Um die Wahrheit einer Aussage der Form \(A\Rightarrow B\) zu beweisen (ohne sich auf die Wahrheit von \(A\) und \(B\) festzulegen), kann man genausogut die äquivalente Aussage \(\neg B\Rightarrow \neg A\) beweisen, die sogenannte Kontraposition der ursprünglichen Aussage.

Manchmal ist es für einen Beweis hilfreich, eine Fallunterscheidung vorzunehmen, also verschiedene Fälle getrennt zu behandeln. Das kann man machen, wenn man dabei alle Möglichkeiten abdeckt. Manchmal bietet es sich dann an, die Ergebnisse aus bereits abgeschlossenen Fällen in den weiteren Fällen zu benutzen.

Eine weitere wichtige Beweismethode (für Aussagen über natürliche Zahlen) ist die vollständige Induktion, der wir einen eigenen Abschnitt (Abschnitt 3.12) widmen werden.

3.7.4 Notationen

Manchmal benutzen wir das Symbol \(:=\) um anzuzeigen, dass das Symbol auf der linken Seite (der Seite mit dem Doppelpunkt) neu definiert wird, und gleich dem Ausdruck auf der rechten Seite sein soll.

Für zwei (natürliche, rationale oder allgemein zwei reelle) Zahlen \(a\), \(b\) bezeichnen wir mit \(\min (a,b)\) die kleinere der beiden, das Minimum, und mit \(\max (a,b)\) die größere, das Maximum. (Sind \(a\) und \(b\) gleich, so ist \(\min (a,b) = \max (a, b)=a=b\).) Analog kann man diese Bezeichnungen für nicht-leere endliche Mengen von Zahlen verwenden. Für unendliche Mengen müssen das Minimum und Maximum nicht unbedingt existieren; dann ist also besondere Vorsicht geboten.

3.7.5 Griechische Buchstaben

Gelegentlich benutzen wir griechische Buchstaben. Dass das in der Mathematik nicht unüblich ist, wissen Sie schon – denken Sie an die Kreiszahl \(\pi \). In Ihrem Mathematikstudium wird Ihnen wahrscheinlich jeder griechische Buchstabe irgendwann einmal begegnen, insofern ist es gut investierte Zeit, sie gleich zu Beginn lesen und schreiben zu lernen (Tabelle 3.1).

Name

Groß

Klein

alpha

A

\(\alpha \)

beta

B

\(\beta \)

 

gamma

\(\Gamma \)

\(\gamma \)

 

delta

\(\Delta \)

\(\delta \)

 

epsilon

E

\(\varepsilon \)

zeta

Z

\(\zeta \)

 

eta

H

\(\eta \)

 

theta

\(\Theta \)

\(\vartheta \) (auch: \(\theta \))

iota

I

\(\iota \)

 

kappa

K

\(\kappa \)

 

lambda

\(\Lambda \)

\(\lambda \)

 

my

M

\(\mu \)

 

Name

Groß

Klein

ny

N

\(\nu \)

 

xi

\(\Xi \)

\(\xi \)

 

omikron

O

o

 

pi

\(\Pi \)

\(\pi \)

rho

P

\(\rho \) (auch: \(\varrho \))

sigma

\(\Sigma \)

\(\sigma \) (auch: \(\varsigma \))

tau

T

\(\tau \)

 

ypsilon

\(\Upsilon \)

\(\upsilon \)

 

phi

\(\Phi \)

\(\varphi \) (auch: \(\phi \))

chi

X

\(\chi \)

 

psi

\(\Psi \)

\(\psi \)

 

omega

\(\Omega \)

\(\omega \)

 

Tabelle 3.1 Die griechischen Buchstaben