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E.2 Das charakteristische Polynom und das Minimalpolynom

Definition E.33
  1. Sei \(n\ge 0\) und \(A\in M_{n}(K)\). Dann heißt das Polynom \(\operatorname{charpol}_A(X):=\det (XE_n-A)\in K[X]\) das charakteristische Polynom der Matrix \(A\).

  2. Sei \(f\colon V\rightarrow V\) ein Endomorphismus des endlichdimensionalen \(K\)-Vektorraums \(V\), \(\mathscr B\) eine Basis von \(V\) und \(A = M_{\mathscr B}^{\mathscr B}(f)\). Dann ist \(\operatorname{charpol}_A(X)\) unabhängig von der Wahl der Basis \(\mathscr B\) und heißt das charakteristische Polynom des Endomorphismus \(f\). Wir bezeichnen dieses Polynom mit \(\operatorname{charpol}_f\).

Das charakteristische Polynom von \(A\in M_n(K)\) ist normiert vom Grad \(n\). Der Absolutkoeffizient ist \((-1)^n\det (A)\). Der Koeffizient von \(X^{n-1}\) ist \(-\operatorname{Spur}(A)\).

Satz E.34

Sei \(f\colon V\rightarrow V\) ein Endomorphismus von \(V\), \(\chi \) sein charakteristisches Polynom. Ein Element \(\alpha \in K\) ist genau dann eine Nullstelle von \(\chi \), wenn \(\alpha \) ein Eigenwert von \(f\) ist.

Definition E.35

Eine Matrix \(A\in M_{n}(K)\) heißt trigonalisierbar, wenn \(A\) zu einer oberen Dreiecksmatrix konjugiert ist. Ein Endomorphismus von \(V\) heißt trigonalisierbar, wenn eine Basis von \(V\) existiert, so dass die beschreibende Matrix bezüglich dieser Basis eine obere Dreiecksmatrix ist.

Satz E.36

Eine Matrix (ein Endomorphismus) ist genau dann trigonalisierbar, wenn ihr (sein) charakteristisches Polynom vollständig in Linearfaktoren zerfällt.

Definition E.37

Sei \(A\in M_{n}(K)\), und sei \(\Phi \colon K[X]\rightarrow M_{n\times n}(K)\) der Ringhomorphismus mit \(\Phi (a) = aE_n\) für alle \(a\in K\) und \(\Phi (X) = A\). Wir schreiben \(K[A]\) für das Bild von \(\Phi \) – dies ist ein kommutativer Unterring von \(M_{n}(K)\), der \(K\) enthält (und auch ein \(K\)-Vektorraum ist).

Das Minimalpolynom \(\operatorname{minpol}_A\) von \(A\) ist das eindeutig bestimmte normierte Polynom \(p\in K[X]\) mit \(\operatorname{Ker}\Phi = (p)\).

Analog definiert man das Minimalpolynom \(\operatorname{minpol}_f\) eines Endomorphismus \(f\). Ist \(f\in \operatorname{End}_K(V)\), so haben alle Matrizen, die \(f\) bezüglich einer Basis von \(V\) beschreiben, das Minimalpolynom \(\operatorname{minpol}_f\).

Definition E.38

Sei \(f\in \operatorname{End}_K(V)\). Ein Untervektorraum \(U\subseteq V\) heißt \(f\)-invariant, wenn \(f(U)\subseteq U\) gilt.

Definition E.39

Sei \(f\in \operatorname{End}_K(V)\). Ein Untervektorraum \(U\subseteq V\) heißt \(f\)-zyklischer Unterraum, falls \(u\in U\) existiert mit \(U = \langle u, f(u), f^2(u), \dots \rangle \).

In dieser Situation bilden \(u, f(u), \dots , f^{d-1}(u)\) für \(d=\dim (U)\) eine Basis von \(U\) und die darstellende Matrix von \(f\) bezüglich dieser Basis hat die Form einer Begleitmatrix:

Definition E.40

Sei \(\chi = X^n + \sum _{i=0}^{n-1} a_i X^i\in K[X]\) ein normiertes Polynom vom Grad \(n\). Dann heißt die Matrix

\[ \left( \begin{array}{ccccc} 0 & & & & -a_0\\ 1 & 0 & & & -a_1\\ & 1 & \ddots & & \vdots \\ & & \ddots & 0 & \vdots \\ & & & 1 & -a_{n-1} \end{array} \right) \]

die Begleitmatrix von \(\chi \).

Satz E.41 Cayley–Hamilton

Ist \(A\in M_{n}(K)\), so gilt \(\operatorname{charpol}_A(A)=0 (\in M_{n}(K))\). Ist \(f\) ein Endomorphismus des endlichdimensionalen \(K\)-Vektorraums \(V\), so gilt \(\operatorname{charpol}_f(f) = 0 (\in \operatorname{End}_K(V))\).

Eine äquivalente Formulierung ist, dass das charakteristische Polynom immer vom Minimalpolynom geteilt wird.

Korollar E.42

Sei \(A\in M_{n}(K)\) die Begleitmatrix des normierten Polynoms \(\chi \) (vom Grad \(n\)). Dann gilt \(\operatorname{charpol}_A = \operatorname{minpol}_A= \chi \).

Satz E.43

Sei \(K\) ein Körper. Sei \(f\) ein Endomorphismus eines endlichdimensionalen \(K\)-Vektorraums. Dann haben \(\operatorname{charpol}_f\) und \(\operatorname{minpol}_f\) dieselben irreduziblen Polynome in \(K[X]\) als Teiler. Insbesondere haben \(\operatorname{charpol}_f\) und \(\operatorname{minpol}_f\) dieselben Nullstellen.

Korollar E.44

Sei \(K\) ein Körper. Sei \(f\) ein Endomorphismus eines endlichdimensionalen \(K\)-Vektorraums. Dann sind äquivalent:

  1. Der Endomorphismus \(f\) ist trigonalisierbar,

  2. \(\operatorname{charpol}_f\) zerfällt vollständig in Linearfaktoren,

  3. \(\operatorname{minpol}_f\) zerfällt vollständig in Linearfaktoren.

Satz E.45

Sei \(K\) ein Körper. Sei \(f\) ein Endomorphismus eines endlichdimensionalen \(K\)-Vektorraums. Dann sind äquivalent:

  1. Der Endomorphismus \(f\) ist diagonalisierbar,

  2. \(\operatorname{charpol}_f\) zerfällt vollständig in Linearfaktoren und hat nur einfache Nullstellen und für jeden Eigenwert \(\lambda \) von \(f\) gilt \(\operatorname{mult}_\lambda (\operatorname{charpol}_f) = \dim V_\lambda \). (Man sagt, die algebraische Vielfachheit und die geometrische Vielfachheit von \(\lambda \) stimmen überein.)

  3. \(\operatorname{minpol}_f\) zerfällt vollständig in Linearfaktoren und hat nur einfache Nullstellen.