5 Die Krull-Dimension eines Rings
[ Mu ] I §7, [ GW ] (5.3)–(5.6), [ AM ] Ch. 11, [ M2 ] §5.
5.1 Definition und einfache Eigenschaften
Sei $X$ ein topologischer Raum. Wir nennen $X$ irreduzibel, wenn $X$ nicht leer ist und die folgenden äquivalenten Eigenschaften gelten:
Sind $A, B\subseteq X$ abgeschlossene Teilmengen mit $X = A\cup B$, so gilt $A=X$ oder $B=X$.
Sind $U, V\subseteq X$ nicht-leere offene Teilmengen von $X$, so gilt $U\cap V\ne \emptyset $.
Eine Teilmenge $Z\subseteq X$ heißt irreduzibel, wenn sie als topologischer Raum mit der Teilraumtopologie irreduzibel ist.
Sei $X$ ein topologischer Raum. Die Dimension $\dim X$ von $X$ ist das Supremum aller Längen $\ell $ von Ketten
\[ Z_0 \subsetneq Z_1 \subsetneq \cdots \subsetneq Z_\ell \]von abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen von $X$. Per Konvention setzen wir $\dim \emptyset = -\infty $.
Ist beispielsweise $X$ ein einziger Punkt, so gilt $\dim X = 0$. Ist $X$ irreduzibel, $\dim X < \infty $ und $Z\subsetneq X$ eine echte abgeschlossene irreduzible Teilmenge, so gilt $\dim Z < \dim X$.
Dieser Dimensionsbegriff ist für die topologischen Räume, die in der algebraischen Geometrie auftreten, gut geeignet — speziell für Räume der Form $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ für einen Ring $R$. Für andere topologische Räume ist er aber nicht unbedingt sinnvoll.
Sei $R$ ein Ring. Eine abgeschlossene Teilmenge $V(\mathfrak a)\subseteq \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ für ein Ideal $\mathfrak a$ ist genau dann irreduzibel, wenn $\sqrt{\mathfrak a}$ ein Primideal ist.
Sei $R$ ein Ring. Die (Krull-)Dimension $\dim R$ von $R$ ist das Supremum aller Längen $\ell $ von Ketten
von Primidealen in $R$. Für den Nullring setzen wir $\dim 0 = -\infty $.
Sei $R$ ein Ring. Dann gilt $\dim R = \dim \mathop{\rm Spec}\nolimits R$.
Sei $\varphi \colon A\to B$ ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus. Dann gilt $\dim A = \dim B$.
Insbesondere zeigt der Satz, dass in der Situation des Noether-Normalisierungslemma Thm. 3.21 die Zahl $n$ als $\dim R$ eindeutig bestimmt ist.
5.2 Irreduzible Komponenten und minimale Primideale
[ GW ] (1.5), (1.7)
Sei $X$ ein topologischer Raum. Die maximalen irreduziblen Teilmengen von $X$ heißen irreduzible Komponenten.
Sei $X$ ein topologischer Raum.
Jede irreduzible Teilmenge von $X$ ist in einer irreduziblen Komponente von $X$ enthalten. Insbesondere ist $X$ gleich der Vereinigung aller seiner irreduziblen Komponenten.
Sei $Z\subseteq X$ eine Teilmenge und sei $\overline{Z}$ ihr Abschluss in $X$. Es gilt: $Z$ ist genau dann irreduzibel, wenn $\overline{Z}$ irreduzibel ist.
Jede irreduzbile Komponente von $X$ ist eine abgeschlossene Teilmenge von $X$.
Insbesondere sehen wir: Ist $R$ ein Ring, so steht die Menge der irreduziblen Komponenten von $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ in Bijektion zur Menge der minimlaen Primideale von $R$.
Ein topologischer Raum $X$ heißt noethersch, wenn jede absteigende Kette abgeschlossener Teilmengen von $X$ stationär ist.
Ist $R$ ein noetherscher Ring, so ist der topologische Raum $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ noethersch. (Die Umkehrung gilt aber nicht.)
Sei $X$ ein noetherscher topologischer Raum. Dann hat $X$ nur endlich viele irreduzible Komponenten.
Sei $R$ ein noetherscher Ring. Dann hat $R$ nur endlich viele minimale Primideale.
5.3 Die Dimension von endlich erzeugten Algebren über einem Körper
Der Transzendenzgrad einer Körpererweiterung
[ Bo ] 7.1
Sei $L/K$ eine Körpererweiterung.
Eine Teilmenge $S\subseteq L$ heißt algebraisch unabhängig über $K$, wenn der Einsetzungshomomorphismus
\[ K[X_s, s\in S] \to L,\quad X_s \mapsto s, \]injektiv ist.
Eine Teilmenge $S\subseteq L$ heißt eine Transzendenzbasis der Erweiterung $L/K$, wenn $S$ algebraisch unabhängig über $K$ ist und die Erweiterung $L/K(S)$ algebraisch ist.
Sei $L/K$ eine Körpererweiterung.
Eine Teilmenge $S\subseteq L$ ist genau dann algebraisch unabhängig, wenn jede endliche Teilmenge es ist.
Eine Teilmenge $S\subseteq L$ ist genau dann eine Transzendenzbasis, wenn sie eine maximale algebraisch unabhängige Teilmenge von $L$ ist.
Die Erweiterung $L/K$ besitzt eine Transzendenzbasis.
Sind $S$, $S’$ Transzendenzbasen der Erweiterung $L/K$, so existiert eine Bijektion $S\overset {\sim }{\to }S’$. Insbesondere ist die Anzahl der Elemente einer Transzendenzbasis (genauer: die Mächtigkeit einer Transzendenzbasis) unabhängig von der Wahl der Transzendenzbasis. Diese Mächtigkeit wird als der Transzendenzgrad der Erweiterung $L/K$ bezeichnet, in Zeichen: $\mathop{\rm trdeg}_KL$.
Insbesondere sehen wir: Eine Erweiterung $L/K$ ist genau denn algebraisch, wenn sie den Transzendenzgrad $0$ hat.
Ist $R$ eine $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist, so schreiben wir auch $\mathop{\rm trdeg}_kR := \mathop{\rm trdeg}_k\mathop{\rm Frac}(R)$.
Ist $K$ ein Körper, so gilt
Die Normabbildung einer Körpererweiterung
[ Bo ] 4.7.
Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung. Für $x\in L$ sei $\varphi _x$ der $K$-Vektorraum-Homomorphismus $L\to L$, $y\mapsto xy$. Wir nennen $N_{L/K}(x) := \det (\varphi _x)\in K$ die Norm von $x$ und die Abbildung $N_{L/K}\colon L\to K$ die Normabbildung der Erweiterung $L/K$.
Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung.
Ist $x\in K$, so gilt $N_{L/K}(x) = x^{[L:K]}$.
Sind $x, y\in L$, so gilt $N_{L/K}(xy) = N_{L/K}(x)N_{L/K}(y)$.
Ist $x\in L$ und $\mathop{\rm minpol}_K(x) = X^d + a_{d-1}X^{d-1} + \cdots + a_0$, so gilt
\[ N_{L/K}(x) = (-1)^{[L:K]} \, a_0^{[L:K(x)]}. \]
Weitere wichtige Eigenschaften der Normabbildung sind
Transitivität: Sind $K \subset E \subset L$ endliche Körpererweiterungen und ist $x\in L$, so gilt $N_{L/K}(x) = N_{L/E}(N_{E/K}(x))$.
Ist $L/K$ eine endliche Galois-Erweiterung, so gilt
\[ N_{L/K}(x) = \prod _{\sigma \in \mathop{\rm Gal}(L/K)} \sigma (x). \]
Seien $k$ ein Körper und $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Sei $f\in R$, $f\ne 0$ ein Element, das keine Einheit in $R$ ist, und sei $\mathfrak p\subset R$ ein Primideal, das $f$ enthält und das minimal mit dieser Eigenschaft ist. Dann gilt
Sei $k$ ein Körper.
Sei $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Dann gilt $\dim R = \mathop{\rm trdeg}_kR$.
Sei $n\ge 0$. Dann gilt $\dim k[X_1,\dots , X_n] = n$.
Sei $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Dann haben alle maximalen Ketten von Primidealen in $R$ (d.h. alle Ketten, die nicht durch das Einfügen weiterer Primideale verfeinert werden können) die Länge $\dim R$.
5.4 Noethersche Ringe
Für allgemeine noethersche Ringe ist die Situation komplizierter. Immerhin haben wir die folgenden Ergebnisse:
Ist $R$ ein Ring und $\mathfrak p\subset R$ ein Primideal, so nennt man $\mathop{\rm ht}\mathfrak p := \dim R_{\mathfrak p}$ die Höhe des Primideals $\mathfrak p$.
Sei $R$ ein noetherscher Ring und sei $(f) \subsetneq R$ ein Hauptideal. Dann gilt für jedes Primideal $\mathfrak p\subset R$ von $R$ mit $f\in \mathfrak p$ und das minimal ist mit dieser Eigenschaft, dass
Sei $R$ ein noetherscher Ring. Dann gilt
Sei $R$ ein lokaler Hauptidealring, $(t) \subset R$ das maximale Ideal. Dann ist $R[X]/(tX-1) \cong R_t = \mathop{\rm Frac}(R)$ ein Körper, also $(tX-1)$ ein maximales Ideal von Höhe $1$, es gilt also
- AM
M. Atiyah, I. Macdonald, Introduction to Commutative Algebra, Addison-Wesley
- Bo
S. Bosch, Algebra, Springer
- B
N. Bourbaki, Algèbre commutative, oder auf Englisch: Commutative Algebra, Ch. 1–10.
- E
D. Eisenbud, Commutative Algebra with a View towards Algebraic Geometry, Springer GTM
- GW
U. Görtz, T. Wedhorn, Algebraic Geometry I, Vieweg.
- M1
H. Matsumura, Commutative Algebra
- M2
H. Matsumura, Commutative Ring Theory, Cambridge University Press
- Mu
D. Mumford, The Red Book on Varieties and Schemes, Springer LNM 1358.
- N
J. Neukirch, Algebraische Zahlentheorie, Springer.
- S
J.-P. Serre, Corps locaux (oder auf Englisch: Local fields, Springer GTM)
- ZS
O. Zariski, P. Samuel, Commutative Algebra, Vol. I, Vol. II, Springer.