3.5 Morphismen von Funktoren *
Seien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) Kategorien. Interessanterweise kann man die Klasse der Funktoren \(\mathscr C\to \mathscr D\) selbst zu einer Kategorie machen, der Funktorkategorie \(\operatorname{Fun}(\mathscr C, \mathscr D)\), indem man den Begriff des Morphismus von Funktoren definiert. Auch wenn das zunächst vielleicht danach klingt, dass der Kategorienformalismus als Selbstzweck immer weiter ausgebaut werde, ist dies ein sehr nützlicher Begriff, um gewisse natürliche Kompatibilitäten zwischen verschiedenen Arten von mathematischen Objekten auszudrücken. Darauf aufbauend definieren wir unten (Definition 3.41) den Begriff der Äquivalenz von Kategorien. Damit kann man zum Beispiel einen großen Teil der Theorie der endlichdimensionalen Vektorräume über einem Körper, wie sie in der Vorlesung Lineare Algebra 1 entwickelt wird, als eine Äquivalenz von Kategorien formulieren, siehe Beispiel 3.44.
Seien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) Kategorien. Seien \(F, G\colon \mathscr C\to \mathscr D\) Funktoren. Ein Morphismus \(\Phi \colon F\to G\) von Funktoren ist gegeben durch Morphismen \(\Phi (X)\colon F(X)\to G(X)\) (in \(\mathscr D\)) für alle Objekte \(X\) von \(\mathscr C\), so dass für jeden Morphismus \(f\colon X\to Y\) das Diagramm
kommutiert.
Die Definition bezieht sich auf kovariante Funktoren, aber indem wir kontravariante Funktoren von \(\mathscr C\) nach \(\mathscr D\) als kovariante Funktoren \(\mathscr C^{\text{op}}\to \mathscr D\) (Bemerkung 3.8) betrachten, erhalten wir auch dafür den Begriff eines Morphismus von Funktoren.
Einen Morphismus von Funktoren nennt man manchmal auch eine natürliche Transformation.
Ein (banales) Beispiel eines Morphismus eines Funktors \(F\) ist der Identitätsmorphismus \(\operatorname{id}_F\), wo für alle \(X\) die Abbildung \(\operatorname{id}_F(X)\) die Identität auf \(F(X)\) ist. Es ist klar, dass wir Morphismen von Funktoren verketten können, indem wir die einzelnen Abbildungen für jedes Objekt von \(\mathscr C\) verketten. Die Verkettung von Morphismen \(\Phi \colon F\to G\) und \(\Psi \colon G\to H\) bezeichnen wir mit \(\Psi \circ \Phi \). Wir erhalten so die Kategorie \(\operatorname{Fun}(\mathscr C, \mathscr D)\) aller Funktoren von \(\mathscr C\) nach \(\mathscr D\). Insbesondere können wir von Isomorphismen von Funktoren sprechen. Das bedeutet konkret das Folgende.
Seien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) Kategorien. Seien \(F, G\colon \mathscr C\to \mathscr D\) Funktoren. Ein Morphismus \(\Phi \colon F\to G\) heißt Isomorphismus (von Funktoren), wenn ein Morphismus \(\Psi \colon G\to F\) von Funktoren existiert, so dass \(\Psi \circ \Phi = \operatorname{id}_F\) und \(\Phi \circ \Psi = \operatorname{id}_G\) gilt.
Wenn ein Isomorphismus \(F\to G\) existiert, schreiben wir auch \(F\cong G\) und sagen, \(F\) und \(G\) seien isomorph.
Seien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) Kategorien und seien \(F, G\colon \mathscr C\to \mathscr D\) Funktoren. Ein Morphismus \(\Phi \colon F\to G\) von Funktoren ist genau dann ein Isomorphismus, wenn für alle Objekte \(X\) von \(\mathscr C\) die Abbildung \(\Phi (X)\) ein Isomorphismus ist.
Es ist klar, dass für einen Isomorphismus \(\Phi \) alle Abbildungen \(\Phi (X)\) Isomorphismen sind. Gilt umgekehrt diese Bedingung, dann erhalten wir einen Umkehrmorphismus \(\Psi \colon G\to F\) zu \(\Phi \), indem wir \(\Psi (X) =\Phi (X)^{-1}\) für alle \(X\in \operatorname{Ob}(\mathscr C)\) setzen.
Wir können nun den sehr nützlichen Begriff einer Äquivalenz von Kategorien definieren, der gewissermaßen der »bessere« Isomorphismusbegriff für Kategorien ist. Man kann zwar auch von Isomorphismen von Kategorien sprechen (siehe Bemerkung 3.45), aber dies stellt Bedingungen, die in der Praxis für zwei gegebenen Kategorien nur sehr selten erfüllt sind. Dass zwei Kategorien zueinander äquivalent sind, ist eine wesentlich schwächere Aussage, die dementsprechend häufiger erfüllt ist, die aber immer noch sehr nützlich ist.
Seien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) Kategorien. Ein Funktor \(F\colon \mathscr C\to \mathscr D\) heißt eine Äquivalenz von Kategorien, wenn ein Funktor \(G\colon \mathscr D\to \mathscr C\) existiert, der ein Quasi-Inverses (oder: Pseudo-Inverses) zu \(F\) ist, d.h., dass \(G\circ F\cong \operatorname{id}_{\mathscr C}\) und \(F\circ G\cong \operatorname{id}_{\mathscr D}\) gilt.
Für eine Abbildung \(f\) zwischen zwei Mengen wissen wir, dass \(f\) genau dann eine Umkehrabbildung besitzt, wenn \(f\) bijektiv, also injektiv und surjektiv ist. Der folgende Satz 3.43 liefert eine analoge Charakterisierung für Äquivalenzen von Kategorien. Bevor wir ihn angeben können, müssen wir die entsprechenden Eigenschaften von Funktoren definieren.
Ein Funktor \(f\colon \mathscr C\to \mathscr D\) heißt
treu, wenn für alle Objekte \(X\), \(Y\) von \(\mathscr C\) die von \(F\) induzierte Abbildung \(\operatorname{Hom}_{\mathscr C}(X, Y)\to \operatorname{Hom}_{\mathscr D}(X, Y)\) injektiv ist,
voll, wenn für alle Objekte \(X\), \(Y\) von \(\mathscr C\) die von \(F\) induzierte Abbildung \(\operatorname{Hom}_{\mathscr C}(X, Y)\to \operatorname{Hom}_{\mathscr D}(X, Y)\) surjektiv ist,
essenziell surjektiv, wenn für jedes Objekt \(X'\) von \(\mathscr D\) ein Objekt \(X\) von \(\mathscr C\) existiert, so dass \(F(X)\cong X'\) ist.
Weil wir in (4) nicht fordern, dass \(F(X) = X'\) ist, sondern nur, dass diese Objekte in \(\mathscr D\) isomorph sind, spricht man nicht von surjektiven, sondern von essenziell surjektiven Funktoren.
Ein Funktor \(F\) ist genau dann eine Äquivalenz von Kategorien, wenn \(F\) volltreu und essenziell surjektiv ist.
Sei \(K\) ein Körper. Sei \(\operatorname{Vect}^{\text{fin}}_K\) die Kategorie der endlich-dimensionalen \(K\)-Vektorräume, d.h. die Objekte von \(K\) sind alle \(K\)-Vektorräume, die Morphismen sind die \(K\)-Vektorraum-Homomorphismen.
Sei \(\mathscr C\) die Kategorie mit Objekten \(\operatorname{Ob}(\mathscr C) = \mathbb N\) und mit Morphismen \(\operatorname{Hom}_{\mathscr C}(n,m) = M_{m\times n}(K)\), die Menge der \((m\times n)\)-Matrizen mit Einträgen in \(K\). Für \(A\in \operatorname{Hom}_{\mathscr C}(n,m) = M_{m\times n}(K)\) und \(B\in \operatorname{Hom}_{\mathscr C}(m,l) = M_{l\times m}(K)\) definieren wir die Verkettung \(B\circ A\) als das Matrizenprodukt \(BA\in M_{l\times n}=\operatorname{Hom}_{\mathscr C}(n, l)\). Es ist klar, dass wir in dieser Weise eine Kategorie erhalten.
Sei \(F\colon \mathscr C\to \operatorname{Vect}^{\text{fin}}_K\) der Funktor, der aus Objekten gegeben ist durch \(F(n) = K^n\), und der einer Matrix \(A\in \operatorname{Hom}_{\mathscr C}(n,m) = M_{m\times n}(K)\) den Vektorraum Homomorphismus \(K^n\to K^m\), \(v\mapsto Av\), zuordnet.
Der Funktor \(F\) ist eine Äquivalenz von Kategorien. Das folgt aus, und ist äquivalent zu den folgenden Tatsachen aus der linearen Algebra.
(\(F\) volltreu) Es gilt \(\operatorname{Hom}_K(K^n, K^m) = M_{m\times n}(K)\).
(\(F\) essenziell surjektiv) Jeder endlichdimensionale \(K\)-Vektorraum ist isomorph zu einem Standardvektorraum \(K^n\). Mit anderen Worten: Jeder (endlichdimensionale) \(K\)-Vektorraum besitzt eine Basis.
Einen zu \(F\) quasi-inversen Funktor können wir folgendermaßen definieren. Es ist klar, dass dieser auf Objekten durch \(V\mapsto \dim _K V\) gegeben sein muss. Um ihn auch auf den Morphismenmengen zu definieren müssen wir für jeden endlichdimensionalen Vektorraum eine Basis wählen. Sind dann \(V\) und \(W\) mit Basen \(\mathscr B\) und \(\mathscr C\) gegeben und \(n=\dim V\), \(m=\dim W\), dann definieren wir \(\operatorname{Hom}_K(V,W)\to M_{m\times n}(K)\) durch \(f\mapsto M^{\mathscr B}_{\mathscr C}(f)\).
Als weitere Konsequenzen aus dieser Aussage erhalten wir, dass \(K\)-Vektorräume \(V\), \(W\) genau dann isomorph sind, wenn sie dieselbe Dimension haben. Außerdem bekommen wir die Beschreibung von linearen Abbildungen durch Matrizen (bezüglich fixierter Basen von Definitions- und Wertebereich), wobei das Matrizenprodukt der Verkettung von Abbildungen entspricht.
Ein großer Teil der Vektorraumtheorie, wie sie zu Beginn der Vorlesung Lineare Algebra 1 entwickelt wird, lässt sich also in der Aussage zusammenfassen, dass \(F\) eine Äquivalenz von Kategorien ist.
Es gibt auch den Begriff einer Isomorphie von Kategorien. Nämlich nennt man Kategorien \(\mathscr C\) und \(\mathscr D\) isomorph, wenn Funktoren \(F\colon \mathscr C\to \mathscr D\) und \(G\colon \mathscr D\to \mathscr F\) existieren mit \(G\circ F = \operatorname{id}_{\mathscr C}\) und \(F\circ G= \operatorname{id}_{\mathscr D}\). Dies ist aber eine sehr starke Bedingung, die »in der Praxis« nur sehr selten erfüllt ist. Insofern ist dieser Begriff weit seltener nützlich als der der Äquivalenz von Kategorien.