2.6 Radikale
\(\operatorname{Jac}(\mathbb Z) = 0\).
Ist \(k\) ein Körper, so ist \(\operatorname{Jac}(k[X]) = 0\).
Sei \(R\) ein Ring. Dann gilt
Sei zunächst \(x\in \operatorname{Jac}(R)\) und \(y\in R\). Dann ist auch \(xy\in \operatorname{Jac}(R)\). Das bedeutet aber, dass \(1+xy\) in keinem maximalen Ideal von \(R\) enthalten ist. Weil jedes echte Ideal in einem maximalen Ideal enthalten ist, folgt \((1+xy) = R\), also \(1+xy\in R^\times \). Für die umgekehrte Inklusion sei \(x\in R\), so dass \(1+xy \in R^\times \) für alle \(y\in R\) gilt. Sei \(\mathfrak m\subset R\) ein maximales Ideal. Wäre \(x\not\in \mathfrak m\), dann wär das Bild von \(x\) in \(R/\mathfrak m\) eine Einheit, es gibt also \(y\in R\), so dass \(xy\) Bild \(-1\) in \(R/\mathfrak m\) hat. Das bedeutet aber \(1+xy\in \mathfrak m\), ein Widerspruch.
Im Sinne der Interpretation von Elementen von \(R\) als Funktionen auf \(\operatorname{Spec}(R)\) sind die Elemente des Nilradikals \(\operatorname{Rad}(R)\) genau die Elemente, die als Funktion die konstante Funktion \(0\) ergeben. Das bedeutet, dass für nicht-reduzierte Ringe ein Element von \(R\) nicht durch die zugehörige Funktion auf \(\operatorname{Spec}(R)\) bestimmt ist. Diese Sichtweise »funktioniert« also dann nicht mehr richtig. Dennoch ist es nützlich, auch nicht-reduzierte Ringe in die weiteren Betrachtungen miteinzubeziehen.
Sei \(R\) ein Ring. Dann gilt
Sei \(x\in \operatorname{Rad}(R)\). Dann ist \(\operatorname{Spec}(R_x) = \emptyset \) (Satz 2.47), also besitzt \(R_x\) kein Primideal und erst recht kein maximales Ideal, es handelt sich daher um den Nullring. Das bedeutet, dass \(x\) nilpotent ist (Bemerkung 2.45). Ist andererseits \(x\) nilpotent, dann ist offensichtlich, dass \(x\) in jedem Primideal liegt.
Sei \(R\) ein Ring und \(\mathfrak a\) ein Ideal. Dann ist
und dieses Ideal heißt das Radikal von \(\mathfrak a\) und wird mit \(\sqrt{\mathfrak a}\) bezeichnet. Gilt \(\mathfrak a = \sqrt{\mathfrak a}\), so nennt man \(\mathfrak a\) auch Radikalideal.
Wir beweisen diese Verallgemeinerung des vorherigen Satzes, indem wir sie durch Übergang zum Quotienten auf diesen zurückführen. Die Inklusion \(\supseteq \) ist wieder klar. Ist andererseits \(x\in \bigcap _{\mathfrak p\in V(\mathfrak a)} \mathfrak p\), dann ist die Restklasse von \(x\) im Quotienten \(R/\mathfrak a\) ein Element des Nilradikals von \(R/\mathfrak a\) (Satz 2.17, Satz 2.31). Also ist die Restklasse von \(x\) nilpotent, und das bedeutet genau, dass eine Potenz von \(x\) in \(\mathfrak a\) liegt.
Ist \(R\) ein Ring, und \(\mathfrak a\subseteq R\) ein Ideal, so gilt \(V(\mathfrak a) = V(\sqrt{\mathfrak a})\). Genauer gilt:
Sei \(R\) ein Ring. Die Abbildungen \(V\), die einem Ideal \(\mathfrak a\subseteq R\) die Teilmenge \(V(\mathfrak a)\subseteq \operatorname{Spec}R\) zuordnet, und \(I\), die einer Teilmenge \(Y\subseteq \operatorname{Spec}R\) das Ideal \(I(Y) = \bigcap _{\mathfrak p\in Y}\mathfrak p\) zuordnet, haben die Eigenschaften
wobei \(\overline{Y}\) den Abschluss von \(Y\) bezüglich der Zariski-Topologie bezeichnet.
Wir erhalten so zueinander inverse, inklusionsumkehrende Bijektionen
Es ist klar, dass die Operationen \(V(-)\) und \(I(-)\) inklusionsumkehrend sind. Nach den Definitionen und Satz 2.59 gilt
Weiterhin gilt
Es ist klar, dass diese Teilmenge von \(\operatorname{Spec}(R)\) abgeschlossen ist und dass sie \(Y\) enthält. Also enthält sie auch den Abschluss \(\overline{Y}\) von \(Y\). Wir müssen noch zeigen, dass es sich bei \(V(I(Y))\) um die kleinste abgeschlossene Teilmenge handelt, die \(Y\) enthält, also dass \(V(I(Y))\) jede abgeschlossene Teilmenge enthält, die \(Y\) enthält. Die abgeschlossenen Teilmengen von \(\operatorname{Spec}(R)\) sind von der Form \(V(\mathfrak b)\) für ein Ideal \(\mathfrak b\subseteq R\). Gilt \(Y\subseteq V(\mathfrak b)\), dann folgt \(I(Y) \supseteq I(V(\mathfrak b))\) und mit dem schon Gezeigten, dass
Also gilt \(V(I(Y)) \subseteq V(\mathfrak b)\), und das war zu zeigen.
Weil die Abbildungen \(\mathfrak a\mapsto V(\mathfrak a)\) und \(Y\mapsto I(Y)\) für Radikalideale und abgeschlossene Teilmengen zueinander invers sind, folgt, dass man die Bijektion am Ende des Satzes erhält.
Das folgende Lemma heißt in der englischsprachigen Literatur das prime avoidance lemma. Es lässt sich auch noch weiter verschärfen (es genügt, dass alle bis auf zwei von den Idealen \(\mathfrak p_i\) Primideale sind).
Sei \(R\) ein Ring, \(\mathfrak a\) ein Ideal von \(R\), und seien \(\mathfrak p_1, \dots , \mathfrak p_n\in \operatorname{Spec}R\) mit
Dann existiert ein \(i\) mit \(\mathfrak a\subseteq \mathfrak p_i\).
Wir führen Induktion nach \(n\). Für \(n=1\) ist nichts zu zeigen. Im Fall \(n {\gt} 1\) genügt es nun zu zeigen, dass \(\mathfrak a\) in einer Vereinigung von \(n-1\) der Ideale \(\mathfrak p_i\) enthalten ist. Angenommen, das wäre nicht der Fall. Wir finden dann Elemente
Weil nach Voraussetzung \(\mathfrak a \subseteq \bigcup _{i=1}^n \mathfrak p_i\) gilt, folgt \(a_j\in \mathfrak p_j\) für alle \(j\). Sei nun \(a = a_1 a_2\cdots a_{n-1} + a_n\). Es ist klar, dass \(a\in \mathfrak a\) gilt. Für \(j=1,\dots , n-1\) liegt \(a\) nicht in \(\mathfrak p_j\), denn sonst wäre auch \(a_n = a-a_1 a_2\cdots a_{n-1}\) in \(\mathfrak p_j\). Es gilt aber auch \(a\not\in \mathfrak p_n\), denn sonst wäre \(a_1 a_2\cdots a_{n-1} = a-a_n\) in \(\mathfrak p_n\), und weil \(\mathfrak p_n\) ein Primideal ist, auch eines der \(a_j\), \(j {\lt} n\) – ein Widerspruch.
Das prime avoidance lemma hat die folgende geometrische »Übersetzung«. Seien \(R\) ein Ring und \(x_1,\dots , x_n\in \operatorname{Spec}(R)\). Ist \(U\subseteq \operatorname{Spec}(R)\) eine offene Teilmenge, die \(x_1, \dots , x_n\) enthält, dann existiert ein Element \(f\in R\), so dass \(D(f)\subseteq U\) gilt und dass \(x_1,\dots , x_n\) in \(D(f)\) liegen. (Der Fall \(n=1\) ist die uns schon bekannte Aussage, dass die Mengen der Form \(D(f)\) eine Basis der Topologie von \(\operatorname{Spec}(R)\) bilden, Bemerkung 2.40.)
Im Gegensatz zum prime avoidance lemma ist die folgende Aussage fast offensichtlich. Versuchen Sie erstmal, selbst einen Beweis zu finden, bevor Sie den hier angegebenen lesen.
Sei \(R\) ein Ring, seien \(\mathfrak a_1, \dots , \mathfrak a_n\subseteq R\) Ideale, und sei \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}R\). Wenn
so gibt es ein \(i\) mit \(\mathfrak a_i\subseteq \mathfrak p\). Gilt in der Voraussetzung sogar Gleichheit, so gilt sogar \(\mathfrak a_i= \mathfrak p\).
Wäre keines der \(\mathfrak a_i\) in \(\mathfrak p\) enthalten, dann gäbe es Elemente \(a_i\in \mathfrak a_i\setminus \mathfrak p\), \(i=1,\dots , n\). Dann wäre aber das Produkt \(a_1\cdots a_n\) in \(\bigcap _i \mathfrak a_i\), jedoch wegen der Primidealeigenschaft nicht in \(\mathfrak p\), ein Widerspruch. Der Zusatz am Ende ist klar.