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2.8 Wie untersucht man eine Gruppe? *

In diesem Abschnitt sammele ich einige Ansätze, wie man eine Gruppe »verstehen« kann/könnte oder welche Fragen man üblicherweise stellt, um eine Gruppe zu untersuchen. Was verstehen genau bedeutet, kann dabei natürlich vom Kontext abhängen, und was ich hier schreibe, erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Ein erste Bemerkung ist, dass eine Gruppe \(G\) (jedenfalls im endlichen Fall) durch ihre Verknüpfungstabelle gegeben ist, oder mit anderen Worten (und auch ganz allgemein) durch die Angabe der Abbildung \(G\times G\to G\). Nur diese Abbildung in der Hand zu haben, ist allerdings praktisch nutzlos, wenn man von den simpelsten Fällen absieht. (Genauso wie es schon »unmöglich« ist, in einfacher Weise anhand einer Verknüpfungstabelle nachzuprüfen, ob die gegebene Verknüpfung assoziativ ist.)

Stattdessen sollte man als erstes versuchen zu entscheiden, welche der Eigenschaften von Gruppen, die wir definiert haben, eine gegebene Gruppe \(G\) hat.

2.8.1 Endliche/unendliche Gruppen

Die Methoden, die wir in den vorherigen Abschnitten bereitgestellt haben, betreffen in erster Linie endliche Gruppen.

Für unendliche Gruppen ist es in vielen Fällen, in denen man die gegebene Gruppe gut verstehen kann, so, dass eine »zusätzliche Struktur« gegeben ist, zum Beispiel eine »Topologie«, die Struktur einer »Lie-Gruppe« oder einer »linearen algebraischen Gruppe«. Alle diese Gruppen spielen in der Algebra-Vorlesung keine Rolle und es ist auch nicht möglich, diesen Begriffen in ein paar Zeilen gerecht zu werden, daher belassen wir es bei dieser Bemerkung.

2.8.2 Eigenschaften von Gruppen

Die folgende Liste nennt einige der Eigenschaften von Gruppen, die wir kennengelernt haben. Jede der Eigenschaften impliziert alle darauf folgenden.

  1. zyklisch von Primzahlordnung (dies sind genau die Gruppen \(G\ne 1\), die außer \(\{ 1\} \) und \(G\) keine Untergruppen haben),

  2. zyklisch,

  3. abelsch,

  4. auflösbar.

Für eine beliebige endliche Gruppe \(G\) erhalten wir aus der Diskussion in Ergänzung 2.66, dass \(G\) eine Normalreihe besitzt, die nicht weiter verfeinert werden kann (eine sogenannte Kompositionsreihe), und dass die Länge sowie die Subquotienten einer solchen Kompositionsreihe (bis auf Reihenfolge und Isomorphie) eindeutig bestimmt sind. Die Subquotienten sind einfache Gruppen, und die endlichen einfachen Gruppen sind »im Prinzip« bekannt (Ergänzung 2.70).

2.8.3 Kleine Gruppen

Die Subquotienten einer Kompositionsreihe zu kennen, legt eine Gruppe allerdings nicht vollkommen fest, und daher bleibt es schwierig, auch für relativ kleine Zahlen \(n\) alle Gruppen der Ordnung \(n\) bis auf Isomorphie zu klassifizieren. Für \(n=2048\) weiß man zum Beispiel nicht, wie viele solche Isomorphieklassen es überhaupt gibt. Siehe Wikipedia für »ganz kleine« \(n\).

Die Folge der Anzahlen der Isomorphieklassen von Gruppen der Ordnung \(n\) ist die erste Folge A000001 in der OEIS, der Online Encyclopedia of Integer Sequences. Dort finden sich auch weitere Literaturverweise.

2.8.4 Darstellungstheorie

Ein besonders mächtiger Ansatz, um eine Gruppe zu »verstehen«, ist es, ihre Darstellungen im Sinne der folgenden Definition zu betrachten.

Definition 2.86

Sei \(K\) ein Körper. Sei \(G\) eine Gruppe. Eine Darstellung von \(G\) über \(K\) ist ein Gruppenhomomorphismus \(G\to \operatorname{Aut}_K(V)\) von \(G\) in die Automorphismengruppe eines \(K\)-Vektorraums \(V\).

Mit anderen Worten ist also eine Darstellung eine Gruppenwirkung auf einem \(K\)-Vektorraum durch Vektorraumautomorphismen. Es folgt (warum?) aus dem Satz von Cayley (Satz 2.54), dass zu jeder endlichen Gruppe \(G\) eine injektive Darstellung \(G\to GL_n(K)\cong \operatorname{Aut}_K(K^n)\) existiert.

Andererseits ist zum Beispiel die Quaternionengruppe \(Q\) (Ergänzung 2.8) nicht isomorph zu einer Untergruppe von \(GL_2(\mathbb R)\). Das kann man mit Methoden der linearen Algebra zeigen, aber es ist nicht offensichtlich.

Für den Moment belasse ich es bei dieser kurzen Bemerkung zur Darstellung. Weitere Informationen finden Sie gegebenenfalls in den in der Box angegebenen Quellen.